Wanderwoche in Andeer GR vom 25. – 29. September 2017
Burgen auf Hügeln und Felsen, kleine Dörfer, fast jedes mit Kirche, grüne Kuhweiden, Wälder an steilen Hängen, Berge am Horizont. Das sind unsere ersten Bilder schon auf der Anfahrt.
In Zillis werden wir vom ehemaligen Pfarrer Theodor Fliedner erwartet. Von ihm durch Museumsbesuch und Multimediaschau gut vorbereitet, schauen wir in der kleinen Kirche St. Martin hinauf an die Decke mit den weltberühmten Bildertafeln. 153 quadratische Tafeln sind im frühen 12. Jahrhundert zuerst mit Gips grundiert, aufrecht bemalt und dann eingesetzt worden. Neben den Weisstönen herrschen Braun, Rostrot und ein feines Blau vor, die Konturen sind schwarz ausgezogen, das ergibt trotz der Bildervielfalt den Gesamteindruck eines schönen Ganzen. Herr Fliedner weist uns darauf hin, dass die Aussenreihen rundum Szenen im Wasser zeigen, es ist ein Wellenband des Ozeans mit seltsamen Fabelwesen; die vier Eckfelder aber seien die 4 Winde und Engel, als Verkünder des Jüngsten Gerichts. Das Festland, der ganze innere Teil, zeigt uns Szenen aus Vorgeschichte und Leben Christi bis hin zur Dornenkrone. Herr Fliedner weiss unerschöpflich viel Interessantes, jedoch nach mehr als 1 Stunde fangen ein paar an zu frösteln und gehen sich draussen an der Herbstsonne aufwärmen.
Noch wärmer wird uns danach bei der Wanderung von Zillis nach Andeer zum Hotel Fravi. Es reicht nach dem Auspacken zu einem ersten Besuch im Thermalbad. Das 34° warme Wasser lädt nicht etwa zum Schwimmen ein, nein, man hängt an Massage-Düsen, unter Nackenduschen oder suhlt auf Sprudelliegen; das Reizvolle daran ist die herbstliche Abendstimmung im Aussenbad. Nach kurzer Zeit geht’s ab ins Hotelzimmer und schon bald zum Begrüssungsapéro, wir sind jetzt gediegen gekleidet. Das gehört sich ja auch in einer antiken Wohnstube und im Belle Epoque Vestibül mit „Königsthron“; eigentlich sitzen abwechselnd nur Königinnen darauf, dafür kniet vor der einen so ein ritterlicher Grauer Panther mit Handkuss nieder.
Im Jugendstil-Speisesaal beim Abendessen lassen wir bei allem Geniessen den Geräuschpegel heftig anschwellen, wohl nicht zur Freude der anderen Gäste.
Elsy, unsere geniale begeisternde Spieltante ist schon am ersten Abend am Wirken, sie bietet Jass und andere Spiele an.
Ein Ausflug mit vielen Höhepunkten führt uns anderntags zuerst zum Traversinasteg, der mehr als 50 Meter lang ist und 22 Meter ansteigt. Wir schauen 70 Meter in die Tiefe und staunen, dass die Hängebrücke nicht schwankt. Dies dank einer ausgeklügelten Konstruktion des Architekten Jürg Conzetti. Er hat ein Herz für zitternde, schwindelnde Fussgänger; sein anderes Wunderwerk ist die Punta da Sarasuns, eine Stahlbandbrücke. Wenn wir schon dabei sind: es gibt in der Viamala auch uralte Blocksteinbrücken, wo der Schlussstein oben in der Mitte des Steinbogens das Ganze zusammenhält, Hans Lutziger weiss auch darüber Bescheid. Er führt uns dann zum Picknick an den wilden Hinterrhein. Wir sehen das Wasser sprudeln und schäumen, es erheben sich 300 m hohe Felswände, wir aber sitzen nahe an einem ruhig fliessenden kleinen grünen „See“ und staunen über das Schau- und Hör-Spiel.
Auch Splügen, das schmucke Dorf mit Wakkerpreis, gefällt uns sehr, vor allem die Palazzi und die dunkelbraunen Walserhäuser. Der Splügenpass war lange wichtigste Verbindung zwischen Graubünden und Italien, zuerst für den Handel mit Salz, Butter, edlen Stoffen, Werkzeugen, Rüstungen, später dann für den Tourismus. Während einige von uns hinauf zum historischen Dorfkern pilgern, schauen wir andern beim geschichtsträchtigen Hotel Bodenhaus kurz in die Eingangshalle und lehnen dann auf der Terrasse bei einem Trunk zurück.
Ein anderer Ausflug führt uns ins höchstgelegene Dörfchen Europas, nach Juf (2126 m ü.M.) im Averstal. Einen einzigen Murmelipfiff hören wir. Die Meldung lautet klar: Panther im Anmarsch, seht euch vor!
Viele weitere Bilder tauchen auf beim Zurückschauen: die Katze täglich nahe am Hoteleingang, der goldgelbleuchtende Ahorn in der Ebene, die Sgraffito-Häuser im Dorf…
Und dann eine besondere Schlucht: Ein Amerika-Auswanderer entdeckte anfangs 20. Jahrhundert, wie mit den Niagara-Fällen Geld verdient werden konnte, kehrte heim zum Gasthaus seiner Vorfahren am Eingang der Rofflaschlucht, sprengte und baute einen Zugang mit Galerien durch die Schlucht bis hinten zum wuchtig tosenden Wasserfall- ganz nahe an viel rauschendem, und dann wieder ruhigem Wasser, begrenzt durch schroffe Felswände.
Jean-Pierre Kägi hat uns auf Flipchart aufgezeichnet, wie auf der Strecke von nur 5 km
10 Burgen und Schlösser das Domleschg dominieren, strategisch dicht über dem Tal. So auch das Schloss Ortenstein, dessen Besitzerin uns durch Treppen und Gänge verwinkelt nach rechts und links durch viele Schlossräume führt und uns dabei viel zu erzählen weiss. Bei allem ahnen wir die Verantwortung, die auf ihr lastet, dieses Erbe in Stand zu halten. Manch eines von uns freut sich da auf seine überschaubare 3-Zimmerwohnug zu Hause.
Vorerst aber führt uns Yolanda Zahler noch zur Casa Storica in Andeer. Der Besitzer, Sammler, Kurator, Erwin Dirnberger, führt uns mit einer Laterne in den Vorratskeller, wo er als Bub mit seinem Neni Käse holt, zitternde Schatten und Grusliges eingeschlossen. Später in der Werkstatt wechselt der Schauspieler blitzschnell zwischen Scherenschleifer, Bauer und Saisonnier aus der Lombardei hin und her und gibt so ein lebendiges Bild aus früheren Zeiten. Seine Frau Evalina trägt alles mit und bewirtet uns in der gemütlichen Wohnstube. Zuletzt geht’s noch ab zum Maiensäss im Estrich. In seiner Nische dort oben gibt er uns eine Abschlussvorstellung. Dann zieht er sein Sitzkissen weg und zum Vorschein kommt: das Plumpsklo. Aber dieses in Details im Gebrauch vorzuführen verspricht er uns erst für den nächsten Besuch.
Yolanda, Hans, Jean-Pierre, ihr habt viel gearbeitet, uns eine dichte Woche mit so grosser Vielfalt beschert in einer wunderschönen Gegend, habt flexibel und umsichtig gut zu uns geschaut. Wir danken euch herzlich für alles! Erleichterung sei euch gegönnt beim Adiösagen in Bern.
Aber halt, vorher kommt noch Susanne. Nachdem sie ihren Vorrat an Bären-Lebküchlein lächelnd an die jeweiligen Postbus-Chauffeure verteilt hat, zückt sie – wie schon oft – im Zug den edlen Flachmann und giesst für uns zum Abschied edlen Whisky in die goldenen Fingerhüte. Was für besondere Bräuche, Susanne!
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