Bericht: Ursula Hürzeler

Fotos: Züsi Widmer

Vom Abstürzen und Wiederaufstehen

Wem es gut geht, der verliert leicht die Vorstellung davon, was es heisst, wenn es einem schlecht geht. Mit ihren Stadtführungen will die Organisation «Surprise» diese Lücke schliessen. Ende Juni nahmen 17 Pantherinnen an einer solchen Veranstaltung teil.

«Ich bin Fränzi», sagt unsere Stadtführerin, und sie sei etwas nervös. Aber dann beginnt sie frisch von der Leber weg von ihrem Leben zu erzählen. Es ist eine beklemmende Geschichte, die geprägt ist von Gewalt, Drogen und Armut. Bereits als Kind wurde Fränzi missbraucht, geriet aus dem Tritt, schaffte nur mit Ach und Krach ihre neunjährige Schulzeit. Gerne wäre sie in die Pflege gegangen, doch da dies erst mit 18 möglich gewesen wäre, begann sie eine Verkaufslehre beim Loeb. Bis zum Abschluss schaffte sie es allerdings nicht –  da war sie bereits drogenabhängig.
Was folgte, waren kurze Jobs, vorwiegend im Service, ständige Ortswechsel und schliesslich ein erster Entzug. Für Fränzi ging’s aufwärts! Erst recht, als sie sich verliebte und einen gesunden Sohn bekam. Ein Wunder, sagt sie heute. Doch das Glück mit dem Mann war kurz, eine Vergewaltigung kam dazu, und die junge Frau suchte erneut Zuflucht im Drogenrausch. So ging es weiter: Entzug, Heirat, zwei Kinder, Schulden. Nun nahm Fränzi kein Heroin mehr, sondern flüchtete sich in den Alkohol. Der Überlebenskampf wollte kein Ende nehmen.

Dass sie es irgendwann doch geschafft hat, aus diesem gefährlichen Kreislauf auszubrechen, verdankt die mittlerweile 56-Jährige auch den vielen Hilfsangeboten der Stiftung Contact Bern und den GassenarbeiterInnen der Kirchgemeinden. Auf dem Rundgang zeigt uns Fränzi unter anderem die Anlaufstelle an der Hodlerstrasse 22, wo Süchtige ihren Stoff kaufen und konsumieren können, macht uns aufmerksam auf den Alkoholiker-Kubus im Bahnhofparking, den Spritzenautomaten bei der Kleinen Schanze und erzählt vom Frauentreff der Kirche in der Länggassse.  Diese geschützten Orte brächten etwas Ruhe in den Alltag der Drogenabhängigen, sagt die Surprise-Frau, etwas, was besonders für die betroffenen Frauen extrem wichtig sei.

Wie im Flug vergehen die zwei Stunden. Auch deshalb, weil unsere Stadtführerin das Leben der Süchtigen nicht beschönigt und selbst bekennt, wie sehr sie es bereut, für ihre Kinder keine stabilere Mutter gewesen zu sein.
Umso glücklicher ist Fränzi darüber, dass ihre Kinder alle eine abgeschlossene Lehre gemacht und ihren Platz im Leben gefunden haben.

Das Gehörte wirkt bei den Pantherinnen noch lange nach. Beim Abschied sagen viele, wie sehr sie Fränzi dafür bewundern, dass sie den Ausstieg geschafft hat. Danke Züsi, dass du uns zu diesem Blick auf die Menschen am Rande der Gesellschaft verholfen hast! Und Merci auch für den Abschluss im Azzurro, dem Restaurant des Blauen Kreuzes. Auch das eine der Anlaufstellen, bei der man für wenig Geld ein ausgezeichnetes Essen bekommt.

PS: Wer guterhaltene Kleider hat, kann sie abgeben bei der Kirchlichen Gassenarbeit, Sennweg 6, 3012 Bern (Tel 031 312 38 68)
Und für Spenden gilt: Verein Surprise, 4051 Basel
Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

 

 

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