Bericht:
Synes Ernst

Spielen kennt kein Alter

„Mit 50 aufhören?“ überschrieb unlängst mein Kollege Udo Bartsch einen Artikel auf der Homepage von „Spiel des Jahres“. Die Frage war natürlich rhetorisch gemeint. Bartsch ist nämlich Spieler durch und durch. Als solcher wird er spielen, solange es ihm nur möglich ist. Es gebe „wirklich“ keinen Grund, um mit 50 aufzuhören, endet sein Text.

 

Wenn es tatsächlich keinen Grund gibt, mit 50, aber auch nicht mit 60, 70 oder 80 aufzuhören (ausser der eigene Körper setze Grenzen), so sprechen umgekehrt einige Gründe dafür, das Spielen im Alter erst recht zu pflegen. Ich gehe im folgenden auf drei besonders wichtige Aspekte ein: emotionale, soziale und neurologische.

 

Emotionale Aspekte: Spielen hat sehr viel mit Emotionen zu tun. Wenn ich gewinne, löst das Freude aus. Über Niederlagen hingegen ärgere ich mich. Das tue ich auch, wenn ich eine raffinierte Zugmöglichkeit übersehen habe. Oder wie schön kann Schadenfreude sein! Bis ins hohe Alter hat der Mensch Emotionen. So unbeschwert und frei wie im Spiel kann man sie sonst kaum äussern, zumal der durch die Spielregeln bestimmte Rahmen so etwas wie einen geschützten Raum bietet. Auf diese Weise steigert Spielen das Wohlbefinden der Menschen.

 

Soziale Aspekte: Spielen führt Menschen zusammen (auf die Ausnahmen gehe ich hier nicht ein). Ob sie nun ein strategisch-taktisches Brettspiel vor sich haben, einen Jass klopfen oder bei „Scrabble“ knifflige Wörter legen, ist egal. Spielerinnen und Spieler suchen bei ihrer Tätigkeit vor allem das Gemeinsame – die gemeinsame Herausforderung wie auch die gemeinsame Unterhaltung. Dieses soziale Potenzial, das in jedem Spiel steckt, ist umso bedeutender, als wir in einer immer älter werdenden Gesellschaft leben, in der das Problem der Vereinsamung immer grösser wird. Wertvoll ist schliesslich auch, dass Spielen Generationen miteinander verbindet, und zwar durch den sanften Zwang der Regeln. Wer an einem Spiel teilnimmt, muss sich an die Spielanleitung halten. Sie gilt für alle, unabhängig vom Alter.

 

Neurologische Aspekte: Die Forschung hat unlängst nachgewiesen, dass Spielen die geistige Leistungsfähigkeit fördert, und zwar unabhängig davon, was gespielt wird. Spielen erhält das menschliche Gehirn bis ins hohe Alter jung und leistungsfähig. Gemäss Hirnforscher Gerald Hüther werden beim Spielen im Mittelhirn Botenstoffe freigesetzt, „die wie Dünger wirken“. Sie lösen zum einen im Körper Gefühle von Freude und Begeisterung aus und fördern zum andern das Wachstum und den Ausbau der Nervennetzwerke. Hüther: „All das, was (beim Spielen) im Hirn daran beteiligt war und aktiviert worden ist, um ein Problem zu lösen oder eine neue Erkenntnis zu gewinnen, wird in Form entsprechend verstärkter Netzwerke fest und nachhaltig im Gehirn verankert.“ Was einmal fest verankert ist, kann später wieder abgerufen werden. Man hat es ja beim Spielen gelernt, so nebenbei.

 

Vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung des Spiels und des Spielens gerade für ältere Menschen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Mehr Spielen! lautet die Devise. Erfreulicherweise liefert der Markt eine grosse Auswahl an Titeln, mit denen diese Erkenntnis leicht umgesetzt werden kann. Ich beschränke meine Empfehlungen auf drei Legespiele, vier Vertreter einer Gattung, die bei Älteren erfahrungsgemäss sehr beliebt ist: „Qwirkle“ (Schmidt Spiele) wird mit 106 Steinen gespielt, auf denen Symbole in sechs verschiedenen Farben und sechs verschiedenen Formen abgebildet sind. Wer „Rommée“ kennt, weiss auch schon, wie „Qwirkle“  läuft. Wer Landschaften gegenüber abstrakten Formen vorzieht, ist bei „Carcassonne“ (Verlag Hans im Glück) bestens aufgehoben. Je nach Temperament der Mitspielenden präsentiert sich die gemeinsam gestaltete Landschaft immer wieder anders. Plättchen- oder Fliesenleger in einem königlichen Palast in Portugal: Das ist unsere Rolle in „Azul“ (Next Move/Pegasus. Das schön gestaltete Spiel bietet neben taktischen Herausforderungen auch immer wieder Gelegenheit, seine Mitspieler zu ärgern. Und schliesslich ein Spiel, das bei uns trotz seines Alters immer wieder auf den Tisch kommt: „Sechs nimmt!“ (Amigo Spiele). 106 Karten, von 1 bis 106 nummeriert, die man nach einfachsten Regeln ablegen muss. Ein solches Spiel hätte ich am liebsten selber erfunden!

 

Synes Ernst, 71, bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2012 Bundeshausredaktor. Wohnt mit seiner Frau in Ostermundigen. War lange Zeit Mitglied der Jury „Spiel des Jahres“. Schreibt regelmässig über Spiele im „Apéro“ der „Luzerner Zeitung“ sowie auf „Infosperber“.

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